Wie ein Schluck Wasser in der Wüste
Zu Gast im „Café Insel“
Es ist Samstag, zusammen mit Kapitänin Tabea Cole mache ich mich auf den Weg nach Freiburg in die Löwenstraße. Dort ist das Domizil der Heilsarmee. Als wir ankommen ist der Koch schon fleißig an der Arbeit. Es gibt Spagetti-Bolognese mit geriebenem Käse. Wir kochen Kaffee und Tee, machen heißes Wasser bereit und stellen eine Karaffe mit kaltem Wasser in den Kühlschrank. In der Kuchentheke liegen süße und herzhafte Gebäckstücke. Gekühlte Säfte stehen ebenfalls bereit. Ich mache mich mit der Preisliste und den Gegebenheiten vertraut, denn gleich kommt der erste Ansturm. Ich bin gespannt. Was sind das für Leute die freitags, samstags und sonntags zur Heilsarmee ins Café Insel kommen, um für einen geringen Obolus eine warme Mahlzeit zu bekommen?
Es sind ganz unterschiedliche Menschen die an der Theke stehen. Das Geld abgezählt in der Hand bestellen sie und bekommen das Gewünschte. Meistens ist es die Portion Spagetti-Bolognese, die heute das Tagesgericht ist. Ein Teller gut gefüllt mit Pasta und Soße, etwas Käse darüber und ein Prise Petersilie über den Tellerrand gestreut, denn das Auge isst schließlich mit.
Der Hunger ist groß, einige Besucher nehmen eine zweite Portion oder ein Gebäckstück, das für ein paar Cent angeboten wird. Es bleibt aber nicht beim Essen, auch Kaffee, Tee oder kalte Getränke werden gerne genommen. Dass fast alles etwas kostet liegt am Konzept der Heilsarmee. Wenn die Gäste etwas bezahlen, so ist es ihnen auch etwa mehr wert. Andererseits ist es auch eine Frage des Respekts und der Wertschätzung den Gästen gegenüber. Wer bezahlt hat auch anspruch auf gute und freundliche Bedienung. Die Besucher kennen sich oft schon lange und sie bleiben an den Tischen sitzen und führen Gespräche. Zwei Skatrunden gibt es an diesem Samstag und am großen Billardtisch wird eifrig gespielt. Auch wir kommen mit den Gästen ins Gespräch, kleine und großen Sorgen werden mitgeteilt. Man ist froh jemanden zu haben der ein offenes Ohr hat und zuhören kann. An einem der Tische sitzt eine kleine Gruppe, ich frage ob ich mich dazu setzen darf. Die Männer haben nichts dagegen.
Wir kommen ins Gespräch. „Was gefällt ihnen am Café Insel?“ lautet meine erste Frage. Die Antwort ist für mich überraschend: „Mir gefällt, dass hier jeder gleichbleibend freundlich begrüßt und behandelt wird.“ Mir wird schnell klar was hier passiert. Natürlich geht es um die warme Mahlzeit. Alle anderen Einrichtungen haben übers Wochenende geschlossen. Die Heilsarmee übernimmt den Part und versorgt pro Abend zwischen 40 und 50 Personen mit einer warmen Mahlzeit. Aber da gibt es etwas von dem ich glaube, dass es fast noch wichtiger ist als der Teller Spagetti-Bolognese. Die Insel ist wie eine Oase, ist wie ein Schluck Wasser in der Wüste. Die Insel ist wie ein Fels in der Brandung. Ein Ort der Begegnung, ein Ort des Zuhörens und der Zuneigung. Wir kommen tiefer ins Gespräch. Martin und Jürgen geben beide ihr Einverständnis für die Veröffentlichung des Artikels und der Fotos. Martin erzählt aus seinem Leben, von der Pflege des Vaters durch eine polnische Pflegerin von seinen Besuchen in Polen und der dortigen Gastfreundschaft, von Kirchenbesuchen und der Frömmigkeit der Leute, von einem Organisten, der für ihn ganz allein gespielt hat. Das alles hat in tief beeindruckt. Er bezeichnet sich auch als gläubig, mehr noch als Suchenden. Die Predigten, die er sonntags in den Gottesdiensten der Heilsarmee hört, sprechen ihn an. Er findet sich in den lebensnahen Beispielen wieder. Der Offizier hält keine großen theologischen Abhandlungen, seine Auslegung passt mitten ins Leben. Das Café Insel ist für Martin und Jürgen und die vielen anderen zur Anlaufstelle geworden, hier trifft man Freunde und Bekannte, hier wird man verstanden. Jürgen kommt schon viele Jahre ins Café Insel. Er schätzt die gute Atmosphäre, den Austausch mit anderen Gästen und fühlt sich hier wohl.
Der Abend vergeht wie im Flug. Ich nehme viele Eindrücke mit. Die Gesichter prägen sich mir ein. Gesichter, die Geschichten erzählen: Geschichten von der Sucht nach Alkohol, Tabletten oder Drogen. Geschichten von Trennung, von verlorenen Familien, von der Vereinsamung und der Verwahrlosung.
Der Eindruck, der sich am tiefsten bei mir einprägt ist aber der: Egal welche Geschichte sich hinter den Gesichtern verbirgt, hier ist jeder willkommen, hier wird jeder freundlich behandelt. Hier wird praktische Nächstenliebe gelebt und das ist für die Besucher der „Insel“ wie ein „Schluck Wasser in der Wüste“.
Major Alfred Preuß