von THQ

„Manchmal habe ich aus Pfützen getrunken“

Obdachlose haben oft keinen Zugang zu Leitungswasser

René Pogger mit einem Glas Wasser im Wickberg-Haus in Köln

Die Nächte seien ein Albtraum gewesen: „Du wachst auf mit einem Pappmaul. Aber es gibt einfach kein Wasser”, erinnert sich René Pogger. Der Wasserkran auf dem verwahrlosten Hinterhof in Köln-Kalk, in dem Pogger damals übernachtete, war seit langem abgestellt. Die Läden waren zu und vor den wenigen, noch geöffneten Rotlichtbars in der Nachbarschaft wachten die Türsteher. „Manchmal habe ich sogar aus Pfützen getrunken”, sagt Pogger.

Seit dem 19. Lebensjahr hat Pogger - mit wenigen Ausnahmen - auf der Straße gelebt. Harte Drogen bestimmten sein Leben. Seit knapp fünf Jahren wohnt der 51jährige im Erik-Wickberg-Haus, einem Wohnheim für Männer in Köln. Hier gibt es Bäder, Duschen und Waschmaschinen. „Das ist für mich nicht selbstverständlich. Ich habe die Klamotten im Rhein gewaschen”, sagt er. Mit Feuchttüchern hat er sich oft morgens frisch gemacht. „Ich wollte ja nicht, dass die Leute einen Bogen um mich machen.”

Wasser auf der Straße ist knapp. Das belegt auch der Wohnungslosenbericht von 2022. Nur 63 Prozent der „Wohnungslosen ohne Unterkunft” haben Zugang zu Leitungswasser“, schreiben die Autoren. Die anderen versorgen sich mit Wasserflaschen oder suchen zum Beispiel in Parkhäusern oder Tankstellen nach Wasserkränen. 

Der Kölner Hauptbahnhof ist für viele Obdachlose eine wichtige Anlaufstelle. Aber auf die öffentliche Toilettenanlage gehen sie nicht. Der Bon von Rail & Fresh kostet mittlerweile 1,50 Euro. Zum Glück gibt es am Hauptbahnhof das Gulliver. Das Obdachlosenprojekt unterhalb der Hohenzollernbrücke bietet Toiletten und Wasser zum Nulltarif. Ein hagerer junger Mann mit Rucksack füllt im Waschraum gleich drei leere Plastik-Flaschen auf. Er übernachte draußen, erzählt er. Notunterkünfte mag er nicht. In diesem Sommer hat er sein kleines Zelt auf einer Wiese in einem Kölner Vorort aufgestellt. Leider sei Wasser dort ein Problem: „Natürlich kannst du beim Bäcker nach Wasser fragen. Das ist kein Thema”, sagt er. „Aber wenn Du dann am nächsten Tag noch mal fragst, bist du halt der Penner.”

Nicht alle Obdachlosen sind in der Lage, sich täglich mit Wasser zu versorgen. Die Sucht nach Alkohol und anderen Drogen fordert ihren Tribut: „Suchterkrankungen stellen für Menschen ohne festen Wohnsitz eine besondere Problematik dar. Wenn zum Beispiel eine Alkoholerkrankung vorliegt, haben sie ein hohes Risiko, in der Sonne einzuschlafen und zu exsikkieren“, sagt Dr. med. Sebastian Schink von der Medizinischen Ambulanz ohne Grenzen gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Teilweise sei die Exsikkose, die Austrocknung, so stark, dass die Betroffenen stationär behandelt werden müssten. Der schlechte Zugang zu Wasser und die damit einhergehende mangelnde Köperhygiene hat auch weitere Erkrankungen zur Folge: Ekzeme und Pilzbefall der Haut oder Krankheitsübertragung über ungewaschene Hände lassen sich oft nicht verhindern und schwächen obdachlose Menschen zusätzlich.

Wenn Réne Pogger heute Durst hat, stellt er ein Glas unter den neuen Wasserspender im Erik-Wickberg-Hauses. Auch Menschen außerhalb der Einrichtung können sich hier kostenlos bedienen. Die Zapfstelle ist Teil eines großen Netzwerks, das unter refill-deutschland.de zu finden ist.

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