„Hier weht der Geist der Nächstenliebe“
Erfolgsautor Brox las in Haus Windeck
Janin Müller rührt in einem übergroßen Topf aus Edelstahl. Es gibt Kürbis-Karotten-Suppe. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin steht in der Küche des Hauses Windeck, einem Wohnheim am Frankfurter Bahnhofsviertel. Sie trägt eine Schürze der Heilsarmee. Neben ihr stapeln sich belegte Brote mit Brie, Schinken und Käse. Das Frankfurter Wohnheim erwartet an diesem Freitag prominenten Besuch. Richard Brox, der mit seinem Bestseller „Kein Dach über dem Leben“ deutschlandweit bekannt wurde, wird aus seinem Buch lesen und von seinem Schicksal als Obdachloser erzählen.
Janin macht eigentlich einen Bürojob. Seit Januar unterstützt sie – mit weiteren sechs Ehrenamtlichen - die Heilsarmee in Frankfurt. Seit dem Vormittag ist sie im Einsatz. „Kochen ist mein Ding“, sagt sie lachend, während sie die selbstgemachten Muffins – süß und salzig – liebevoll auf den Tellern drapiert. Die Zutaten, sagt sie, stammten alle von der Tafel. Es sei oft gar nicht so einfach, aus den gespendeten Lebensmitteln etwas Schmackhaftes zu kochen.
Normalerweise ist Janin nicht am Freitag sondern am Mittwoch im Einsatz. Dann öffnet das Café Windeck – von 10 bis 22 Uhr, ein langer Tag. Es gibt Gespräche, Filme, Spiele - und natürlich etwas zu essen. Janin Müller schätzt den Kontakt zu den Gästen. Als Köchin ist sie immer mittendrin: „Du sprichst mit Leuten, um die ich früher einen Bogen gemacht hätte.“
Majore Stefan und Monica Müller leiten das Wohnheim Windeck. 32 Männer, von Ende 20 bis 70, leben in dem ehemaligen Hochbunker. Sie haben ein eigenes Zimmer mit Kochstelle. Nur die Dusche ist auf dem Flur. Als die Pastoren 2015 das Heim übernahmen, schufen sie im Erdgeschoß einen Raum für Gemeinschaft und Gespräche. Das war die Geburtsstunde von Café Windeck. Der Anfang sei etwas schleppend gewesen, gesteht Monica Müller. Mit der Corona-Pandemie mussten dann viele Hilfsangebote schließen. Die beiden Offiziere ließen sich nicht beirren und verlegten das Café in den Hof: Kleidung und Lebensmittel zum Mitnehmen. Danach hat sich das Café im Viertel fest etabliert. „Mittwochs kommen oft mehr als 100 Gäste, meist aus der Nachbarschaft und vom Bahnhofsviertel“, sagt Stefan Müller stolz.
Im Gastraum des Männerwohnheims haben sich mittlerweile rund 30 Besucher versammelt, darunter viele Förderer der Heilsarmee. Richard Brox hat an einem kleinen Tisch hinter einem dunklen Holzkreuz Platz genommen. Der 60-Jährige trägt einen weißen Vollbart und einen dunklen Kapuzenpulli. Die Leselampe brennt, der Bestseller liegt aufgeschlagen vor ihm. Doch bevor die Lesung beginnt, wandert der Blick des Autors durch den Gastraum. „Ich bin ja als Obdachloser oft in Wohnheimen untergekommen. Doch die Einrichtungen der Heilsarmee sind etwas Besonderes“, sagt er. Hier wehe der Geist des Respektes und der Nächstenliebe. Janin Müller steht mit ihrer roten Schürze ganz hinten im Raum, zwischen selbstgebackenen Kuchen, Muffins, Kaffee und Wasserflaschen. Sie lächelt.