von Geistliches Leben

Fast überzeugt

Kapitel 13 aus „Begegnung mit Jesus“

Jimmy wohnte ein paar Häuser weiter in unserer Straße. Als wir gerade eingezogen waren, beschaffte ich mir in der örtlichen Bibliothek die Namen unserer Nachbarn, damit meine Frau und ich sie alle namentlich in unsere Gebete einschließen konnten. So konnte ich sie auch persönlich ansprechen und zu Veranstaltungen im Korps ­einladen.

Einige von ihnen kamen auch tatsächlich ab und zu vorbei. ­Darunter waren auch Jimmy und seine Frau Jane. Wir führten über die Jahre hinweg einige interessante Gespräche über den Glauben, über Gott und Jesus, und wegen ihrer vielen Fragen gab ich ihnen den Jesus-Film zum Anschauen. Zuerst zögerten sie, nahmen das Video dann aber doch an. Sie waren ganz erstaunt über einiges, was sie ­darin über Jesus, über seine Worte und Taten lernten. Wir sprachen noch öfter darüber und ich beantwortete ihnen noch mehr Fragen. Ich hatte große Erwartungen.

Eines Morgens, nach einem stressigen Osterwochenende, sah ich durchs Küchenfenster, dass ein Krankenwagen vor dem Haus unserer Freunde hielt. Später erfuhren wir, dass Jimmy nach ­einem Schlag­anfall, der sein Sehvermögen und seine Beweglichkeit eingeschränkt hatte, ins Krankenhaus gebracht worden war.

Ich war wütend auf Gott. Ich hatte gespürt, wie der Heilige Geist zu Jimmy und Jane gesprochen hatte und wie sie sich dadurch der Wahrheit Jesu geöffnet hatten. Er hatte sie zu sich geführt. Sie hatten sich dem Heiligen Geist angenähert und hätten wahrscheinlich in nicht allzu ferner Zukunft Jesus als ihren Erlöser angenommen. Jetzt lag Jimmy nach einem Schlaganfall darnieder und all meine ­Hoffnungen waren dahin.

Es war eine eigenartige Woche. Drei Heilssoldaten und Gemeindemitglieder waren innerhalb weniger Tage verstorben, und so kam es, dass ich vor Ostern an drei aufeinanderfolgenden Nachmittagen Trauergottesdienste im fast zwanzig Kilometer entfernten Krematorium abhielt.

Nach dem zweiten Trauergottesdienst am Donnerstag schlug ich meiner Frau vor, wir könnten doch auf dem Rückweg Jimmy im Krankenhaus besuchen fahren. Die Klinik lag in einer Kleinstadt ungefähr 16 Kilometer von unserem Wohnort und vom Krematorium entfernt. Im Krankenhaus angekommen, führte uns eine Schwester auf der Station zu Jimmys Bett. Er döste gerade, doch die Schwester weckte ihn, obwohl wir sie ausdrücklich gebeten hatten, ihn schlafen zu lassen. Er freute sich über unseren Überraschungsbesuch und erzählte, wie es ihm dort in den vergangenen drei Tagen ergangen war. „Ich kann schon wieder sehen, wenn auch nicht richtig klar und auch nicht an den Rändern. Gestern habe ich mir auf meinem kleinen Fernseher das Spiel von ­Manchester United gegen Juventus angeschaut. Das war das UEFA-Champions-League-Halbfinale und Manchester hat Juventus mit 3:2 geschlagen. Das war großartig!“ erzählte er.

„Und das konntest du alles auf diesem kleinen Gerät angucken?“, fragte ich und er zeigte mir seinen kleinen tragbaren Fernseher. (Damals gab es noch nicht standardmäßig Fernsehgeräte an jedem Bett.)

„Naja, irgendwie ging‘s“, lachte er. „Ich hab‘ gesehen, wie die Spieler gerannt sind, aber ich konnte leider den Ball nicht erkennen!“ Wir plauderten und scherzten noch eine Weile. Es war schön, ihn so guter Dinge zu sehen. „Die Physiotherapeutin war bei mir und hat mit mir Beinübungen gemacht. Heute Morgen haben sie mich aus dem Bett geholt und geschaut, ob ich stehen kann. Sie waren sehr zufrieden mit mir und morgen darf ich runter in die Sporthalle zum Laufen.“

„Toll!“, freute ich mich. „Das sind ja wirklich gute Nachrichten. So kurz nach dem Schlaganfall geht es dir ja schon wieder ganz schön gut. Unglaublich.“

„Das meinte der Arzt auch“, antwortete er. Judy und ich sprachen noch ein bisschen mit ihm über die weitere Prognose und darüber, wie er und seine Frau mit diesem Schock zurechtkämen. Bevor wir gingen fragte ich ihn, ob ich noch mit ihm beten solle. Er schwieg eine Minute lang.

„Nein, das ist schon in Ordnung. Vielen Dank.“

Ich dankte dem Herrn für alles, was er für Jimmy seit seiner Einlieferung getan hatte und drückte meine Verwunderung darüber aus, warum das alles geschehen war, warum Gott das zugelassen hatte. Ich bat ihn, Jimmy und seine Frau zu trösten, ihnen beizustehen und ihnen seine Liebe zu zeigen. Schließlich bat ich Gott, Jimmy zu heilen und ihm an seinem Frieden und seiner Gegenwart teilhaben zu lassen.

Nach ein paar guten Wünschen für die anderen Patienten und das Klinikpersonal beendete ich mein Gebet und öffnete die Augen. ­Jimmy sah mich ganz kalt an. Ich wollte ihm die Hand geben, aber er rührte sich nicht. Da dankte ich ihm für seine Gesellschaft und wunderte mich, ob mein Angebot, mit ihm zu beten, oder meine Worte ihn irgendwie verletzt hatten. Zwischen dem Bett und der Wand war nur wenig Platz, und ich stand auf, damit Judy, die am Fußende stand, ihm auch die Hand geben konnte.

Ich drehte mich zu Judy und sah, dass sie auf Jimmy zeigte: „Er hat noch eine Bitte, Howard. Er will, dass du nochmal zurückkommst.“

Verwirrt drehte ich mich wieder zu ihm. Wir hatten uns fast eine ganze Stunde lang unterhalten und seine Sprache war kaum beeinträchtigt gewesen, doch nun war er ganz still und nickte mir lediglich mit ernstem Gesichtsausdruck zu. Also ging ich zurück, und er gab mir durch Kopfnicken zu verstehen, dass ich näherkommen solle. Ich fragte mich, was er mir wohl zu sagen hatte. Ich hatte den Eindruck, er wollte nicht, dass jemand anders mithörte, weil er mir jetzt Vorwür­fe machen würde. Genau das Gegenteil war der Fall.

„Als du gerade gebetet hast, da wurde mir ganz heiß am Kopf“, flüsterte er. „Heiß am Kopf?“, fragte ich.

„Ja, wie wenn da eine Heizung über meinem Kopf hängen würde. Das hat richtig gebrannt.“ Ich muss wohl ziemlich ungläubig ausgesehen haben.

„Ich meine es ernst“, fügte er hinzu. „Das ist kein Witz, ich will mich nicht über dich lustig machen. Die Hitze hat sich von meinem Kopf über meinen Hals und meine Arme runter ausgebreitet. Was kann das gewesen sein?“, fragte er. Wir sahen einander schweigend an. Ich spürte, dass er es ernst meinte. Das sah ich an seinem Ge­sicht und hörte es in seiner dringlichen Stimme.

Mir fehlten die richtigen Worte und ich sagte einfach, was mir als erstes einfiel: „Manchmal tut Gott so etwas.“

Wir verabschiedeten uns, doch er war nicht ganz da, wirkte irgendwie abwesend. Als wir durch das Fenster noch einmal zurückblickten, starrte er immer noch ins Leere.

„Er ist ja wie vom Donner gerührt“, sagte ich zu Judy. „Ich weiß nicht, was Gott gemacht hat, aber er hat gerade etwas Unglaubliches mit Jimmy angestellt. Er hat ihm eine Art Elektroschock versetzt. Auf eine nette Art und Weise, aber trotzdem ein Elektroschock.“ Kurz darauf wurde Jimmy entlassen. Er machte gute Fortschritte, und ich besuchte ihn zu Hause. Jane bat mich herein, machte Kaffee, und wir saßen zusammen im Wohnzimmer. „Er liegt im Bett. Er wird schnell müde und schläft viel“, meinte sie.

„Das überrascht mich nicht“, antwortete ich, „er hat ja eine Menge mitgemacht.“ Sie sagte, sie könne ihn wecken, aber ich beschloss, ein andermal wiederzukommen, wenn er wach war.

„Was ist da in der Klinik passiert?“, fragte sie.

„Wie meinst du das?“

„Jimmy hat erzählt, dass du ein Gebet gesprochen hast, oder so, und währenddessen ist etwas mit ihm passiert.“

„Ich weiß auch nicht genau, was da passiert ist, da musst du ­Jimmy schon selber fragen“, gab ich zurück. „Ich weiß nur, dass ich Gott um seinen Segen und um Heilung für Jimmy gebeten habe und darum, dass er Jimmy seine Gegenwart spüren lässt. Ich denke, Jimmy hat erlebt, wie Gott mein Gebet erhört hat.“

„Sowas habe ich vorher noch nie gehört. Jimmy redet von nichts anderem mehr. Heute Morgen kam sein Chef vorbei und hat nach ihm gesehen, und Jimmy hat ununterbrochen davon erzählt, was ihm bei dem Gebet passiert ist.“

Ich hörte ihr erstaunt zu. Nur eine Woche zuvor war ich noch wütend auf Gott gewesen, weil er zuließ, dass Jimmy so etwas zuge­stoßen war. Dabei war das Ganze nur ein Vorspiel zu einem der ­unglaublichsten Erlebnisse in Jimmys Leben gewesen. Was da ­passiert war, war eindeutig Gottes Werk, seine Stärke, seine Gnade. Niemand anderem war das zu verdanken, nur seiner Herrlichkeit. Ich fühlte mich an die Geschichte von Lazarus erinnert. Jesus erzählt darin, wie Gottes ­Herrlichkeit in Lazarus wirkt, sodass auch Gottes Sohn dadurch geehrt werden möge (Johannes 11,4).

Natürlich wollte ich so etwas häufiger erleben und wie schon so ­viele Narren vor mir versuchte auch ich, genau auseinanderzunehmen, was ich an jenem Donnerstagnachmittag gesagt oder getan hatte, dass Jimmy dieser Segen zuteil geworden war. Wenn ich auch nur einen kleinen Teil dieses Vorgangs wiederholen könnte, so dachte ich, dann würde Gott auch in Zukunft so machtvoll antworten.

Wir törichten Menschen suchen immer nach Formeln, nach Rezepten, mit denen wir Kontrolle über das Geschehen gewinnen können. Tatsächlich weht der Wind des Heiligen Geistes aber ­dorthin, wo er will (Johannes 3,8). Manchmal erhört Gott unsere Gebete sofort, wie bei Petrus, der zu ertrinken drohte. Nur ein kurzes Gebet und die Rettung kommt sofort (Matthäus 14,30-31). Manchmal allerdings muss man fast sein ganzes Leben lang warten, wie Zacharias und Elisabeth, die greisen Eltern von Johannes dem Täufer.

Auch bei meinem folgenden Besuch war Jimmy noch ganz von dem Ereignis ergriffen. Er sprach darüber sogar mehr als über seine Krankheit oder die Genesung. Anscheinend hatte er allen und jedem schon davon erzählt.

„Wenn es mir wieder besser geht, komme ich zu euren Gottesdiensten“, versprach er. Ich glaubte ihm aufs Wort.

Trotz seiner anfänglichen guten Fortschritte, sollte sich Jimmy nie mehr ganz erholen. Die Sehfähigkeit an den Rändern kehrte nie zurück, er konnte nicht mehr Autofahren und auch nicht mehr ­arbeiten. Wegen seiner Sehbehinderung bekam er einen weißen Stock. Trotz aller Widrigkeiten konnten er und Jane trotzdem noch ihrem liebsten Hobby nachgehen, dem Standardtanz.

Leider kam Jimmy nie mehr zum Gottesdienst. Ich wunderte mich, denn vorher waren er und seine Frau gelegentlich vorbeigekommen und hatten sehr interessiert gewirkt. Es gibt aber auch immer wieder Menschen, die von Jesus geheilt werden und die ihm dann doch nie folgen. Manche erfahren seinen wunderbaren Segen und tun dann trotzdem nicht, was er von ihnen verlangt.

Doch Gott gibt keinen von uns jemals auf. Wenn wir Jesus einmal begegnet sind oder ihn kennen gelernt haben, können wir uns nie vormachen, dass das nicht passiert sei. Selbst, wenn diese Begeg­nung viele Jahre hinter uns liegt, so können wir sie nie ver­leugnen. Einige von uns kommen in ihrer Jugend vom Weg mit Gott ab und finden schließlich wieder zu ihm, weil ihnen auf all ihrem Wegen und bei all ihrem Handeln bewusst wird, dass sie einmal etwas viel Besseres er­lebt haben, als sie jemals für möglich gehalten hatten, etwas, das so viel mächtiger ist als alles andere, was sie über die Jahre hinweg kennen gelernt haben.

Es gibt noch einen erfreulichen Nachtrag zu dieser Geschichte. Es betrifft das Gebet für die Leute in unserer Straße. Eine junge Mutter zweier Kinder, die uns gegenüber wohnte, hatte am ­Alphakurs teilgenommen und ihr Leben Jesus geweiht. Nachdem wir das Korps schon verlassen hatten und weggezogen waren, hörte ich, dass nun auch ihr Mann zusammen mit ihr zum Gottesdienst ging.

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