von Geistliches Leben

Die neue Anmache

Mit 15 Jahren reiste ich das erste Mal ins Ausland zu meiner Brieffreundin im Schwarzwald. Ich lebte damals noch in meiner Heimat England. Und ich war neugierig darauf, wie man in Deutschland so lebt und auf alles Unbekannte. Federbetten, Filterkaffee und die Fußgängerampeln. Und besonders die angemachten Salate. Denn in England hat man damals einen „salad“ höchstens mit Salz gewürzt und eventuell noch mit einem Klacks Mayonnaise aus dem Glas. Ich löcherte also die deutsche Hausfrau. Was gehört in eine anständige Vinaigrette? Salz, Zucker, Essig, Öl, ein bisschen Senf – und die kleinen grünen Blattschnipseln. Zumindest war das so bei meiner Gastgeberin. „Und was ist das?“, fragte ich. „Schnittlauch“, war die Antwort, „von draußen“, und sie deutete auf den Garten. Ich beäugte die kleinen dunkelgrünen Schnipsel und schloss messerscharf daraus, dass Schnittlauch das deutsche Wort für Rasen sei. Ich hielt also das Kraut im Salat für Gras von draußen. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn die Hausfrau nicht plötzlich ans Telefon gerufen worden wäre und mir die ehrenvolle Aufgabe zuteil wurde, das Salatdressing anzumachen und zu servieren.

Ich holte mir also frische Grashalme, wusch sie sorgfältig, schnitt sie klein und mischte sie unter der Salatsoße. Erst als die Familie meiner Freundin meinte, der Salat sei nicht so „pikant wie sonst“, kam mein Irrtum ans Tageslicht. Aber so ist es: Für alles ist doch angeblich ein Kraut gewachsen. Doch nicht alles eignet sich für alles. Manches braucht Wärme, anderes Kälte. Gut gedüngte Erde oder Magerwiese, Sonne oder Schatten. Und Gott hat in seiner Schöpfung dafür gesorgt, dass alles dabei ist. Dass jedes Kraut wächst, wo es am besten passt. Der Landwirt, wie auch der Hobbygärtner, braucht Geduld. Nach dem Winter kommt die Zeit des Wachstums, dann wieder die Ernte. Das weiß nicht nur der Fachmann. Gott hat beides: Geduld und Fachwissen. Er gibt uns das, was wir brauchen, um uns zu entwickeln. Er hat uns auch die Zeit dafür gegeben. Aber er kennt uns durch und durch und weiß, was aus unserem Leben werden könnte, wenn wir es nach seinem Plan führten.

Apropos Zeit: Ich muss noch schnell die Salatsoße anmachen. Mit Schnittlauch. Ich bin ja lernfähig.

 

 

 

Heilsarmee-Offizierin Christine
Schollmeier leitet das historische Archiv
der Heilsarmee in Deutschland.

Erschienen im Heilsarmee-Magazin, Ausgabe 06/2014

 

 

Bild Schnittlauch: Wikimedia Commons

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