von Geistliches Leben

Die Dornenkrone

Gedanken zum Karfreitag

Es war für mich eine sehr merkwürdige Sache: Ich sollte Jesus Christus darstellen. Die Titelrolle und einzige Sprechrolle im Musical „Jesus Volk“ von John Larsson und John Gowans (beide waren internationale Leiter der Heilsarmee).
 
Das bedeutete, viel auswendig zu lernen und dann... Mir war zuerst nicht bekannt, dass dieses Musical auch eine Kreuzigungsszene beinhaltet. Während einer Probe musste ich mich, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, den Mitspielern präsentieren. Der Leiter sagte, als viele vor Verlegenheit lachten: „So, jetzt haben alle gelacht, aber das wollen wir nicht wieder erleben.“ Und dann holte er aus einer Tasche eine Dornenkrone. Von einem echten israelischen Dornenbusch, mit langen spitzen Stacheln. Ich kann meine Gefühle kaum beschreiben, als sie mir zum ersten Mal aufgesetzt wurde. Zwei Jahre reisten wir immer wieder mit diesem Musical durch die Lande. Immer diese Dornenkrone im Gepäck. Immer dieses merkwürdige Gefühl, wenn die Kriegsknechte sie mir aufsetzten. Sehr vorsichtig, um mir nicht unnötig weh zu tun. Immer dieses merkwürdige Gefühl. Alles nur ein Spiel, nur ein Musical? Eine besondere Art der Verkündigung? Aber doch nur ein Spiel. Immer mit viel Ernst und in einer besonderen Ehrfurcht, aber dennoch nur ein Spiel.
 
Für Jesus war es kein Spiel. Für Jesus war es blutiger Ernst. Da war gehässiges, nicht verlegenes Gelächter und Spott. Da war keiner, der irgendwie Rücksicht nahm. Keiner, der sorgfältig die Dornen, die nach innen zeigten, vorher abgebrochen hätte. Keiner, der beim Aufsetzen vorsichtig gewesen wäre. Keiner, der mitleidig gefragt hätte, ob es weh tut. Die Dornenkrone, die man Jesus aufsetzte, hatte Stacheln, machte Schmerzen, machte Wunden, und da floss das Blut.
 
Die Bibel berichtet in der Leidensgeschichte Jesu von der Dornenkrone:

„Und die Soldaten flochten eine Krone aus Dornen und setzen sie auf sein Haupt … Und Jesus kam heraus und trug die Dornenkrone“, Johannes 19,2.5

Der Spott der römischen Soldaten gipfelt im Anlegen der königlichen Zeichen: Dornenkrone - Scharlachmantel - Zepter. Man lacht, man spottet, man höhnt, man zeigt mit den Fingern auf Jesus, den König der Juden.

„ER hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte“, Jesaja 53, 2b.

Die Dornenkrone verunstaltet Jesus. Der Sohn Gottes wird geschmäht und verhöhnt. Man macht aus ihm eine Karikatur - ein Zerrbild eines Königs.
 
Dornen haben keinen guten Ruf. Ich ärgere mich über unsere Rotdornhecke vor dem Hauseingang. Diese Dornen bekommt man fast nicht wieder aus den Fingern. Selbst Lederhandschuhe nützen nicht.
 
Die Bibel hat auch kaum ein gutes Wort für Dornen übrig. Der Fluch über den Acker ist mit Dornen und Disteln verbunden. Es wird davor gewarnt, unter die Dornen zu säen. Jesus gebraucht im Gleichnis vom vierfachen Acker die Dornen als Beispiel für eine Unterdrückung des geistlichen Lebens. Dornen und Tod scheinen zusammenzugehören. Das zeigt uns ja auch die Leidensgeschichte Jesu Christi.
 
Doch an einer Stelle wird es deutlich, wie anders Gott ist. Es ist ein Dornbusch, der nicht verbrennt, an dem sich der ewige und lebendige Gott dem Mose offenbart und sagt: „Ich werde sein, der ich sein werde“, 2. Mose 3,14.  Es ist für mich ein interessantes Zeichen, dass Gott einen Dornbusch wählt, um sich Mose zu offenbaren.
 
Im Leiden. Im Stillehalten. Im Erdulden liegt die wahre Größe Jesu. „Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf“, Jesaja 53,7
 
Dieser König benötigt keine goldene, mit Edelsteinen besetzte Krone. Die Zeichen seiner Königsherrschaft: ein scharlachfarbener Soldatenmantel, ein Stock, als Zepter, mit dem er geschlagen wird, eine Dornenkrone. Jesus erhebt sich aus dieser Demütigung und zeigt sich als der wahre König der Welt. Als der König des Friedens. Als der, der Frieden macht zwischen Gott und uns Menschen. Der durch sein Leiden beweist, dass er ein hervorragender Mensch und gleichzeitig Gottes Sohn ist.
 
Der Dornbusch, der nicht verbrennt, zeigt uns den verborgenen ewigen Gott. Die Dornenkrone zeigt uns den wahren König Jesus Christus. Das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Das ist „der Herr der Herrlichkeit“, nun blutend und zerschlagen, entstellt - für uns. Aber gerade hier zeigt sich, dass seine Erniedrigung seine Erhöhung, seine Verherrlichung ist. In seiner ganzen Hoheit steht er dort und trägt den Königsmantel und die Königskrone. Und diese Krone aus Dornen wird noch strahlen, wenn alle Kaiserkronen der Welt dahin sind. Vor dem verhöhnten, blutenden König beugen sich in Ewigkeit unsere Knie in reiner und völliger Unterwerfung.
 
Wie der Dornbusch, der nicht verbrannte, ein Zeichen für den ewigen Gott ist, so bedeutet das Zeichen des Todes, die Dornenkrone, nicht den Tod Jesu. Die Dornenkrone wird für alle, die daran glauben, zum Zeichen des Lebens.
 
Im Heilsarmee-Wappen befindet sich auch eine Krone. Sie deutet auf die Krone, die allen Gläubigen bestimmt ist. Zum Glück keine Dornenkrone, sondern der Siegeskranz der Ewigkeit. Diesem Kranz haben wir Jesus zu verdanken, der die Dornenkrone auf sich nahm. Er hat uns die Krone des ewigen Lebens bereitet.
 
Weil wir Gott untreu waren, wurde er blutig geschlagen. Wegen unserer Sünde wurde er durchbohrt. Er wurde an unserer Stelle bestraft. Es war zu unserem Frieden. Die Dornenkrone - ein Zeichen der Schmach - wird zur Krone des Siegers, wird zum Zeichen des Lebens. Jesus ist der Herr. Jesus ist der Sieger. Was Jesus litt, können wir nie ermessen. Aber wir können ihm danken und ihm die Herrschaft über unser Leben geben.

Major Alfred Preuß

Zurück