von Chemnitzer Kinder-, Jugend- und Familien­zentrum

Chemnitz

Großer Bahnhof bei der Heilsarmee in Chemnitz (Kapitäne Frank und Regina Heinrich).

Chemnitz: Großer Bahnhof bei der Heilsarmee in Chemnitz (Kapitäne Frank und Regina Heinrich). Freunde, Partner der Sozialarbeit und der Kirchen, sowie auch viel Politprominenz gaben sich ein Stelldichein bei der Eröffnung des neuen Projekts. Unter viel Applaus und Mut machendem Zuspruch konnten die Korpsoffiziere die seit März gemieteten Räume der Benutzung durch die Öffentlichkeit übergeben. Dazu hatten sich viele Chemnitzer einladen lassen. Die Räume in einer ehemaligen Einkaufspassage waren in den Wochen zuvor renoviert worden und standen zu diesem formellen Anlass sowie dem "Tag der offenen Tür" zum ersten Mal zur Verfügung.

Neben den neuen Nachbarn, Freunden aus anderen Kirchen und neugierigen Passanten kamen auch Menschen des öffentlichen Lebens, um an diesem Festakt teilzunehmen. So kamen neben der Sächsischen Staatministerin Barbara Ludwig auch fünf Mitglieder verschiedener Parteien des Landtags und freuten sich mit uns über den Hoffnungsfunken in einem trostlosen Umfeld, so die Aussage eines Landtagsabgeordneten.

Nach dem Festakt stand das neue Begegnungszentrum für alle Altersgruppen offen. Ein Familienfest mit Tanz, Pantomime, Spiel und sehr viel Spaß, organisiert von den "KingsKids" in Chemnitz, eine Schminkstation, Kuchen und Kaffee sowie frisch Gegrilltes waren die weiteren Zutaten zu einem Tag, der in der Geschichte der Heilsarmee in Chemnitz als Meilenstein in Erinnerung bleiben wird. Insgesamt haben mehr als 250 Menschen an diesem Tag einen Schritt in dieses neue Begegnungszentrum gewagt – sehr zur Freude der Mitarbeiter.

In diesem Stadtviertel, in dem es bis heute keine Kirche gibt, starteten junge Leute der Heilsarmee in Chemnitz vor knapp 5 Jahren mit einem Kinderprogramm, dem "McTurtle Projekt". Spiele, Geschichten, Theater, Lieder und viel Spaß sollen den Kindern die schönsten 2 Stunden der Woche bescheren, das war der Anspruch. Zudem werden alle Familien der Kinder einmal in der Woche besucht – oder, wenn niemand da ist, wird die Einladung und das "Rätsel" für das nächste Mal vorbeigebracht. Seit vergangenem Jahr sahen die Mitarbeiter es "an der Zeit", dort näher heranzurücken und planten somit ein Projekt ganz in der Nähe des Kinderprogramms.

Dieses Stadtviertel, das noch in der ära entstand, deren Motto es auch war "Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein", hat seit der Wende nicht nur gute Zeiten erlebt. Das ehemalige Fritz-Heckert-Gebiet besteht aus 4 ½ Stadtvierteln mit heute noch mehr als 40 000 Einwohnern (damals bis zu 80 000). Zwei Kirchen wurden schon zur Zeit des Sozialismus dort erlaubt, aber eben nur auf der einen Hälfte dieses Gebietes (getrennt durch ein kleines Tal). Den anderen ca. 15-20 000 Menschen steht keine Kirche oder christliches Angebot in Reichweite zur Verfügung und auch hier sahen wir es an der Zeit, diesem auf die eine oder andere Weise Abhilfe zu verschaffen.

Mitten in einer Zeit, in der die Menschen dieses Stadtviertels nicht nur keine Alternativen angeboten bekamen, sondern vom Zusammenbruch der Beziehungssysteme und wirtschaftlichen Grundlagen desillusioniert wurden, soll wieder Begegnung und neue Perspektive angeboten werden.

Dieses Stadtviertel hat nach dem Wegzug von bis zu der Hälfte der Bewohner (pro Straßenzug), dem Abriss von vielen Gebäuden auch einen wirtschaftlichen Aderlass hinter sich. Was zur DDR-Zeit noch notwendig eingeplant wurde, kann sich jetzt wirtschaftlich nicht mehr halten und bricht weg. Viele Läden stehen leer. Auch wenn weiterhin klar ist, dass diese Menge an Bewohnern in etwa bleiben wird, reden die Menschen von "keine Zukunft".

Die Arbeitslosigkeit ist zwar etwa ähnlich der im Stadtgebiet (ca. 20 %) aber die Jugendarbeitslosigkeit beläuft sich auf etwa 40 %. Die meisten Jugendlichen suchen ihr Glück im "Westen". Immigration ist ein Problemfeld und Familien stehen oft auf sich allein gestellt da. Die EU fördert dieses Stadtviertel aus einem Topf "soziale Stadt", weil es Merkmale von "sozialen Brennpunkten aufweist" (nur 4 Stadtteile in den neuen Bundesländern werden unseres Wissens so gefördert).

"Wir treten an mit dem Vorsatz nicht nur zu predigen, sondern zu leben", so Kapitän Frank Heinrich "Also nicht nur herzukommen um dann wieder abends nach Hause zu fahren. Wir ziehen mit Mitgliedern unserer Gemeinde in dieses Stadtviertel. Ganz nach dem Motto: "Gott wurde Mensch – und zog in unsere Nachbarschaft" (nach Johannes 1,14). Seine Inkarnation wird zu einem Auftrag für uns, wenn es um Nachfolge geht, denn sein Schritt zu uns war auch nicht ohne.

Wir können dann nicht nur predigen und Kirche so leben, wie wir sie denken und kennen. Wir werden uns als Kirche dorthin tragen und die Begegnung mit Gott durch unser Tun, Sein und Reden provozieren, IHM und den Gästen, Besuchern, Passanten, Nachbarn ihre Art und ihren Weg lassen.

Kapitän F. Heinrich

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