von Korps Berlin-Prenzlauer Berg

30 Jahre Café Treffpunkt

Das Café Treffpunkt feiert runden Geburtstag – am 14. Januar wird es 30 Jahre alt!

Die deutsche Wiedervereinigung war erst drei Monate her, da wurde im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg das Café Treffpunkt eröffnet. Der damalige Sozialstadtrat des Bezirkes, Reinhard Kraetzer, sah die Nöte der Menschen, die plötzlich in eine ganz neue Welt versetzt wurden, deren Mieten höher, ihr Arbeitsplatz aber unsicher wurde und die mit der neuen „West-Bürokratie“ nicht zurechtkamen. Für viele entstand eine Art Vakuum in ihrem Leben. Das traf am schlimmsten die Menschen, die bereits vor der Wende Brüche in ihrem Leben erfahren haben. Um diese Menschen auffangen zu können, wandte sich der Stadtrat an die Heilsarmee in West-Berlin und fragte, ob es möglich wäre, dass die Heilsarmee eine Art Wärmestube oder Begegnungsstätte für bedürftige Menschen im Prenzlauer Berg eröffnen könnte.

Die Idee stieß beim damaligen Divisionsoffizier der Heilsarmee, Major Rolf Metzger, auf offene Ohren. Es gab nur ein Problem: Zu diesem Zeitpunkt standen keine geeigneten Mitarbeiter, also Heilsarmee-Offiziere, zur Verfügung. Die Heilsarmee als Glaubenswerk betete und wandte sich damit an die oberste Stelle, nämlich Gott höchstpersönlich! Bildlich gesprochen schaute Gott sich daraufhin unter seinem „Bodenpersonal“ um und entdeckte zwei junge Menschen, die er für die richtigen für diese Aufgabe hielt. Neues Problem: Die beiden kannten sich nicht und wohnten zudem rund 500 km voneinander entfernt. Da Gott aber nichts unmöglich ist, richtete er es so ein, dass die beiden sich bald darauf während einer Heilsarmee-Veranstaltung in Berlin kennenlernten, und Angela und Siegfried sich zudem noch ineinander verliebten! Einige Wochen später stellte Major Metzger an Siegfried „Sigi“ die Anfrage, ob er, der Beamter bei einer Krankenkasse in Bochum war, diesen Dienst für ein Jahr unterbrechen könnte, um dieses neu zu gründende Café Treffpunkt zu leiten. Das war keine leichte Entscheidung für Sigi, seine zukünftige Frau Angela „Angie“ war jedoch sofort begeistert von dieser Idee. Aber auch Sigi entschied sich für das Café Treffpunkt, gab den „Beamten auf Lebenszeit“ auf, ließ Sicherheit, Familie, Freunde und die Heimat hinter sich und ging nach Berlin. Angie beendete ihre Tätigkeit im elterlichen Geschäft in Berlin-Kreuzberg, und so kam es, dass Angie und Sigi vier Monate nach ihrem Kennenlernen geheiratet haben und nur vier Tage nach der Hochzeit das Café Treffpunkt eröffnet wurde!

30 Jahre später gibt es das Café Treffpunkt mit Sigi und Angie Fischer immer noch, und man müsste alte Statistiken wälzen, um sagen zu können, wieviel Kaffee und Tee getrunken, wie viele Essen gegessen wurden, wie oft Menschen im Café geduscht haben, ihre Wäsche waschen und trocknen konnten und sich neue Kleidung aus der Kleiderkammer besorgt haben. Wie viele Menschen haben wegen ihrer Probleme Beratungen durch professionelle Sozialpädagogen erhalten, wie viele Personen suchten seelsorgerlichen Beistand durch Sigi Fischer? Wie viele Ein-Euro-MitarbeiterInnen konnten ihre Zeit im Café sinnvoll nutzen, in dem sie für die Gäste kochten oder sie bedienten, mit ihnen spielten und einfach Gemeinschaft hatten. Sie sind uns zum Teil sehr ans Herz gewachsen, und wir mussten sie doch wieder gehen lassen. Starke Bindungen gibt es auch zu etlichen unserer Gäste, von denen wir manche schon mindestens 25 Jahre kennen. Manchmal kommt jemand herein und erzählt uns, wie wir ihm vor Jahren Hilfe gegeben haben, die ihm ermöglichte, wieder im Leben Fuß zu fassen. Das berührt uns dann sehr. Die Menschen im Café Treffpunkt sind wie eine große Familie; manche nennen es „ihr Wohnzimmer“.

Es gab traurige und schöne Ereignisse, Ausflüge, Reisen, 29 wunderbare Feiern am Heiligen Abend; die 30. konnte wegen Corona nicht stattfinden, dafür gab es ganz Corona-konform mehrere kurze Weihnachtsandachten, damit jeder der wollte, teilnehmen konnte.

Ein Netzwerk von Beratern aus der Kommunalpolitik bis hin zu Abgeordneten des Bundestages steht hinter der Arbeit des Café Treffpunkt, und wir sind sehr dankbar für die finanzielle Förderung zunächst des Berliner Senates und bereits seit 1995 des Bezirksamtes Pankow (früher BA Prenzlauer Berg), ohne dessen Zuwendungen diese Arbeit nicht möglich wäre!

Von ganzem Herzen dankbar sind wir, Angie und Sigi Fischer, aber unserem treuen Gott, der immer die Hand schützend über uns, unsere Gäste und die gesamte Arbeit gehalten hat. Das durften wir gerade im letzten Jahr erleben, als Corona alles verändert hat. Weder wir persönlich noch unser Café war von Corona betroffen, und wir mussten nicht einen Tag deswegen schließen. Die Essenausgabe (warmes Mittagessen und Stullenpaket für den Abend) ging weiter, wenn auch durch das Fenster nach draußen. Einige nahmen das Essen mit, andere aßen es gleich draußen, und etliche blieben auch noch länger, weil sie einfach den Kontakt untereinander brauchen.  So ging es bis in den Spätherbst und in den „Lockdown light“ hinein, aber aufgrund der winterlichen Temperaturen dürfen nun jeweils wieder wenige Personen hereinkommen, die nach 45 Minuten aber den nächsten Gästen Platz machen müssen. Das sind nur Notlösungen, aber Gott hat ganz sicher schon richtige Lösungen parat.

Gott ist nichts unmöglich!

 

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