von Geistliches Leben

Hätte der Martin Luther nicht …

Hätte der Marin Luther nicht seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 an der Schlosskirche von Wittenberg angeschlagen, dann

  • gäbe es weniger Spaltungen unter den (evangelischen) Kirchen
  • wäre die Welt verlässlich beim Alten geblieben
  • hätte es viele Kriege als Folge davon nicht gegeben

Hätte, hätte, Fahrradkette …

Die Liste der Ereignisse und Dinge, die sich durch die Reformation ergeben haben, ist lang. Je nach Gegend, abhängig vom Landesfürsten, von dessen Glaubens-Überzeugung und dessen politischer Positionierung waren die Folgen der Reformation mehr zum Guten oder mehr zum Schlechtem.

Wer zwischen die Fronten von Religion und Politik geriet, kam für gewöhnlich nicht mehr dazu, über die Ursachen der (Kriegs-)Ereignisse nachzusinnen, die oft katastrophenartig über ihn und seine Nächsten hereinbrachen.

Persönlich profitiere ich ja heute noch von den Folgen der Reformation:

  • als Frau habe ich Zugang zu Bildung bekommen – ich habe lesen und schreiben gelernt und konnte studieren
  • ich kann die Bibel in meiner eigenen Sprache lesen (und in zig anderen)
  • durch die Inhalte von Büchern lerne ich fremde Welten und unendlich viel Neues kennen

An all das kann ich mich am Reformationstag erinnern – egal, ob dieser Tag in meinem Bundesland ein gesetzlicher Feiertag ist oder nicht.

Viel spannender finde ich allerdings die Frage: Wie kam denn Martin Luther überhaupt auf die Idee, seine Kirche reformieren zu wollen?

Wie fing das denn eigentlich an mit der Reformation?

Erstaunlich ist, dass Martin keinen fertigen Plan im Kopf hatte, wie er mal eben so in wenigen Jahren seine Kirche und Europa auf den Kopf stellen könnte.

Sein Leben verlief eigentlich vielmehr nach einem anderen Plan – trotz vieler Geschwister kann er die Schule besuchen, sein Potenzial und Hunger nach Wissen werden erkannt und er wird schulisch immer weiter gefördert. Luthers Vater Hans, der aus einfachen Verhältnissen kommt und sich hochgearbeitet hat, will seinem Sohn eine gute Karriere als Jurist ermöglichen. Deshalb bekommt Martin sogar ein Jura-Studium finanziert. Der Berufsweg mit Karriere und Anerkennung scheint vorgezeichnet. Eine gute Absicherung in unsicheren Zeiten – auch für die Eltern.

Dann wirft ihn anscheinend ein Blitzschlag zum ersten Mal aus der Bahn!

Er ist 22 Jahre alt und hat gerade seinen Magister in der Tasche, als er auf dem Rückweg nach Erfurt in ein sehr schweres Gewitter gerät. Martin erlebt am eigenen Leib die Kraft und Gewalt eines Blitzes, der ganz in seiner Nähe einschlägt.

Vielleicht brechen in dem Augenblick auch all die Fragen und Ängste über ihn herein, für die er bisher noch keine Antworten hat.

"Was geschieht mit mir nach dem Tod?", "Wohin geht mein Leben?", "Wohin gehe ich?", "Wie kann ich vor Gott bestehen?"…

Er schreit in seiner Not und Angst nach göttlicher Hilfe und Eingreifen. Da er Gott noch nicht persönlich kennengelernt hat, hofft er auf die Vermittlung der Heiligen Anna – sie soll u.a. Fürsprecherin bei Gewitter sein. Ihr Name hat die hebräische Bedeutung „Jahwe erbarmt sich / hat sich erbarmt“ und steht für die Liebe und Gnade Gottes.

Vielleicht ist es genau das, wonach sich Martin sehnt – dass sich Gott erbarmt, sich ihm zuwendet, ihm Liebe zeigt, - jetzt direkt sofort in der lebensbedrohlichen Situation und vielleicht darüber hinaus. Denn er, so wird berichtet, ist bereit, sich (s)eine Rettung auch etwas kosten zu lassen – er verspricht, Mönch zu werden.

Er überlebt das Gewitter tatsächlich - und handelt danach schnell und konsequent. Alles lässt er Knall auf Fall hinter sich – Studium, Berufsweg, geplante Heirat …

Nur 15 Tage später bittet er im Augustiner-Eremiten-Kloster in Erfurt um Aufnahme. Die Zeit und der Lebensstil dort lässt sein Leben immer stärker um Gott kreisen. Trotzdem scheint er keine befriedigende Antwort auf seine Fragen zu finden – obwohl er doch alles dafür tut. Auch eine Reise nach Rom ändert daran nichts – er vollzieht dort alles an vorgeschriebenen geistlichen Übungen, um Gott gnädig zu stimmen. Aber er fühlt sich dadurch nicht erleichtert. Später schreibt er sogar, dass er nicht fähig sei, als Sünder den strafenden Gott zu lieben – und das als Professor für Bibelauslegung! Er studiert, forscht weiter und bringt seine Fragen immer wieder vor Gott.

Gottes Geschenk an Luther

Und dann, Mitte Dreißig, bekommt er von Gott ein Geschenk gemacht – einfach so, mitten beim Lesen der Bibel. Er erfasst plötzlich, dass er sich nicht anstrengen und bemühen muss, um Gottes Gnade zu verdienen. Er wird davon ergriffen, dass Gott sich ihm bereits durch Jesus liebevoll zuwendet. Und dass es Martins Aufgabe sein soll, dieses Geschenk vertrauensvoll in Anspruch zu nehmen.

In kurzer Zeit wächst Martin Luther innerlich immer mehr hinein in seine direkte Beziehung mit Gott. Hinein in diese Gnade und Zuwendung Gottes, für die er nichts leisten muss. Das drückt sich auch immer mehr darin aus, wie er seinen Studenten die Bibel auslegt und über Gott spricht.

Parallel dazu wird in seinem Umfeld plötzlich verstärkt der „Ablasshandel“ gepredigt – „bezahle und kaufe dich damit frei von den Strafen deiner Schuld Gott gegenüber“ oder „kaufe deine Verwandten aus dem Vorhof der Hölle frei“.

Luther, der erlebt, dass Gottes Nähe und Gegenwart ihn von seinen Ängsten befreit hat, gerät dadurch stark in einen Konflikt – er empfindet, dass die Menschen durch den Ablasshandel erst recht in einem unfreien Leistungschristentum gefangen gehalten werden. Und seine Kirche verhindert durch ihr Verhalten, dass die gute Nachricht von der freimachenden Gnade Gottes unter das Volk kommt.

Innerhalb weniger Monate gärt es dermaßen in ihm, sodass er sich Luft machen muss: Er nutzt das, was er am besten kann – studieren, Bibel auslegen und im Streitgespräch Wahrheit suchen. So verfasst Martin Luther als 33-Jähriger die berühmten 95 Thesen.

Eine umwälzende Reformation mit den uns bekannten Auswirkungen hatte er damit nicht im Sinn – eher umgekehrt: Er will Menschen gewinnen für die freimachende Gnade Gottes. Die hat er selbst erlebt und will jetzt auch anderen dazu verhelfen. Er ist sich absolut gewiss, von Gott ohne Leistung angenommen zu sein – komplett im Gegensatz zum Zeitgeist. Und so trotzt er mit dieser Haltung mutig den Schwierigkeiten, die schlagartig über ihn hereinbrechen.

Welches Wort von Gott hatte Martin denn so berührt?

Er war dabei, das erste Kapitel im Römerbrief zu studieren, als er wie vom Blitz aus heiterem Himmel getroffen wurde und plötzlich für sich erkannte:

Ich schäme mich nicht für die rettende Botschaft. Denn sie ist eine Kraft Gottes, die alle befreit, die darauf vertrauen; zuerst die Juden, aber auch alle anderen Menschen.
Durch sie zeigt Gott, wie er ist: Er sorgt dafür, dass unsere Schuld gesühnt wird und wir mit ihm Gemeinschaft haben können. Dies geschieht, wenn wir uns allein auf das verlassen, was Gott für uns getan hat. So heißt es schon in der Heiligen Schrift: »Nur der wird Gottes Anerkennung finden und leben, der ihm vertraut.«*

Ja, dass ich Zugang zu Bildung habe, die Bibel in meiner Sprache lesen kann und Bücher mir neue Welten eröffnen, das sind Folgen der Reformation, die ich sehr schätze.

Was mir aber noch wertvoller ist:

  • dass ich selbst, wie Martin Luther, erlebt habe und immer wieder erlebe, wie Gottes Kraft mich befreit – aus meinen Ängsten, aus meinen Fragen ohne Antworten, aus meinen Zweifeln, …;
  • dass ich lerne, diesem Gott „einfach“ zu vertrauen und keine fromme Leistung dafür erbringen muss;
  • dass ich durch Jesus und mit ihm mein Leben lebe –mittendrin in meinem Alltag.

Martin Luther entschied sich, zu seiner Überzeugung zu stehen – die Folgen daraus kennen wir als „die Reformation“. Anscheinend haben die Worte Gottes gewaltige Kraft, um einiges im Leben eines Menschen zu bewirken - und dadurch auch seine Umwelt zu verändern.

„Hätte der Martin Luther nicht…“ – doch, er hat aber!

Deshalb will ich diesen Reformationstag 2019 dazu nutzen, mir mal wieder ein paar Fragen zu stellen und sie Gott hinzuhalten:

  • Welche Fragen habe ich eigentlich noch an Gott?!
  • Wo bin ich denn noch auf der Suche?
  • Welche Worte Gottes haben mein Leben berührt und verändert?
  • Wovon bin ich persönlich überzeugt?
  • Wozu stehe ich, wofür stehe ich ein?

Wer weiß, was aus der Suche nach den Antworten entstehen kann?
„Hätte die Anette nicht…“ – doch, sie hat aber!“

Ihre
Anette Janowski
Entwicklung Geistlichen Lebens

*(Römer-Brief, Kapitel 1, Verse 16 und 17, nach der Übersetzung „Hoffnung für Alle“; Hoffnung für Alle® (Hope for All) © 1983,1996, 2002, 2009, 2015 by Biblica, Inc.® All rights reserved worldwide.)

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